Last oder Lust?


Bis 2026 müssen immer mehr Unternehmen einen eigenen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen. Die Rinnen Spedition in Moers hat sich auf den Weg gemacht – mit interessanten Erkenntnissen.

In Kürze
Der Weg zum eigenen Nachhaltigkeitsbericht nach der europäischen Nachhaltigkeitsrichtlinie ist machbar, aber aufwendig. Das mittelständische Speditionsunternehmen Rinnen in Moers hat den Schritt gewagt.

Auf die Transport- und Logistikbranche rollt eine neue Regulationswelle zu. Hintergrund ist die EU-Richtlinie Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), mit der Unternehmen ab einer bestimmten Größe ihre Kennzahlen und Strategien im Bereich Nachhaltigkeit nun genauso detailliert offenlegen müssen wie ihre Finanzen.

Kunden fordern Kennzahlen
„Wir rechnen aber schon jetzt, im ersten Quartal 2025, damit, dass viele Auftraggeber auf uns zukommen, weil sie für ihren Nachhaltigkeitsbericht bestimmte Kennzahlen und Daten von uns benötigen, wie etwa den Treibhausgasausstoß ihrer ausgelösten Transporte“, sagt Thomas Schulz, CEO der Rinnen Internationale Spedition in Moers, die sich auf Flüssig- und Gefahrgut-Transporte spezialisiert hat. Und eine selbstverpflichtende Erklärung, wie sie etwa beim Mindestlohngesetz zulässig sei, werde nicht mehr reichen. „Da müssen wir deutlich mehr Informationen liefern. Denn der Nachhaltigkeitsbericht ist verpflichtend und wird auch im Unternehmensregister hinterlegt. Auf den hat also jeder Zugriff.“ Grund genug für Rinnen, schon 2025 für das zurückliegende Reporting-Jahr 2024 das Thema CSRD anzugehen, obwohl die Spedition aufgrund ihrer Betriebsgröße erst 2026 den Nachhaltigkeitsbericht vorlegen muss. Unterstützt wird sie dabei von Shpiero. „Rückblickend war es gut, dass wir so frühzeitig damit gestartet sind“, betont Schulz. „Das Thema CSRD ist sehr komplex und eine kräftige zusätzliche Belastung.“

Eine wichtige Voraussetzung für den Bericht ist die sogenannte doppelte Wesentlichkeitsanalyse, die ein berichtserstattendes Unternehmen erstellen muss. „Sie ist die Basis für unsere Nachhaltigkeitsstrategie und entscheidet darüber, über welche Standards wir berichten müssen“, erklärt Schulz. Im ersten Schritt gilt es, jede Menge Daten aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance – sogenannte ESG-Daten – zu erheben: „Wir müssen ja für die Wesentlichkeitsanalyse nicht nur aufzeigen, wie sich unsere eigenen Aktivitäten auf die Umwelt oder Gesellschaft auswirken, sondern auch, wie es sich bei unseren Stakeholdern verhält, mit denen wir in der Wertschöpfungskette zusammenarbeiten.“ Im zweiten Schritt gelte es, die Wesentlichkeitsanalyse zu bewerten, also wie sich Themen aus Umwelt und Gesellschaft auf das Unternehmen und seine künftige Entwicklung auswirken können.

Sechs Mitarbeiter – ein Ziel
Um diese Analyse CSRD-konform umzusetzen, setzte Rinnen schon 2024 ein Projektteam mit sechs Mitarbeitern aus IT, Personal, Technical Services, Umwelt, Gesundheit, Sicherheit und Qualität (EHSQ), Operations und Buchhaltung auf. „Noch müssen wir dafür aber einiges tun und mit einigen Stakeholdern sprechen. Die nächsten Monate werden dahingehend intensiv“, räumt Schulz ein. „Spätestens im Mai werden wir aber unsere doppelte Wesentlichkeitsanalyse abschließen können.“ Auf deren Basis werde das Unternehmen die Datenpunkte aus dem European Sustainability Reporting Standard (ESRS) festlegen, die dann als berichtsrelevant erfasst werden, bevor es die Berichterstellung selbst angehen kann.

Beim Themenkomplex „Umwelt“ hat sich die Spedition Rinnen mit Shipzero einen Spezialisten ins Haus geholt. Das Unternehmen hat eine digitale Plattform zur Kalkulation von und zur Berichterstattung über Emissionsdaten entwickelt. „Alleine hätten wir das nicht gestemmt“, ist sich Schulz sicher. „Dazu braucht es Dienstleister wie Shipzero, die sich auf dieses Thema spezialisiert haben.“

So sind betroffene Unternehmen gemäß der Richtlinie dazu verpflichtet, „alle Treibhausgasemissionen ihrer wesentlichen Energieträger innerhalb ihrer Prozesse zu ermitteln“, erklärt Martin Jacobs, der bei Shipzero das Kundenmanagement verantwortet. Auf die Branche heruntergebrochen bedeutet dies, dass Transportunternehmen und Spediteure alle Emissionen ermitteln müssen, die etwa beim Einsatz ihrer Lkw entstehen (Scope-1-Emissionen für eigene Fahrzeuge, Scope 3 für externe Dienstleister). Aber auch Emissionen, die in ihrem Unternehmen durch den Verbrauch von Strom, Heizöl, Gas, Papier und Wasser freigesetzt werden (Scope 2). Schlussendlich sind sie dazu verpflichtet, den CO₂-Ausstoß ihrer eingesetzten Frachtführer zu erheben und zu dokumentieren.

Daten für das CO₂-Reporting
Um diese Daten bei Rinnen zu erheben, greift Shipzero über die Flotten-Management-Schnittstelle (FMS) auf die Lkw-Telematik zu. Auf Basis der Verbrauchsdaten messe Shipzero direkt alle Emissionen, die beim Transport anfallen, so Jacobs. „Das sind überwiegend Primärdaten und keine Durchschnittswerte.“

Für die Ermittlung der Emissionen, die im intermodalen Verkehr oder in der Zusammenarbeit mit externen Frachtführern entstehen, greift Shipzero indes auf modellierte Daten zu. Sie werden auf Basis der gefahrenen Tonnenkilometer und weiterer Faktoren, wie des Fahrzeugtyps oder der Auslastung, ermittelt. Hilfreich seien für die Spedition aber auch die modellierten Daten, betont Rinnen-COO Michael Roth. Etliche intermodale Anbieter, mit denen das Unternehmen im Schienengüterverkehr zusammenarbeite, seien noch nicht in der Lage, alle relevanten Emissionsdaten zu übermitteln. „Wir haben heute schon alle Emissionsdaten unserer eigenen Transporte, aber auch die unserer Frachtführer und unserer Partner im intermodalen Verkehr, und können diese mit dem Vorjahreszeitraum vergleichen“, so Schulz. Bei Bedarf könne Rinnen die Emissionsdaten auf den einzelnen Transport und sogar auf den einzelnen Kundenauftrag herunterbrechen – egal ob der Transport mit Lkw oder auf der Schiene erfolgt ist. Die Messungen sollen laut Jacobs noch umfangreicher werden. Im nächsten Schritt werde Shipzero im Laufe von 2025 Emissionen der Rinnen-Logistikstand- orte einbeziehen, die etwa durch den Verbrauch von Strom und Abfall entstehen.

„Beim Strom greifen wir dafür auf Daten im Stromzähler zurück. Bei Müllverbräuchen etwa arbeiten wir mit Durchschnittswerten.“ Geschäftsführer Schulz: „Im zweiten Quartal 2025 werden wir, wie es aussieht, also alle für unseren Nachhaltigkeitsbericht erforderlichen Emissionsdaten vorliegen haben.“

Die Rinnen Spedition
Die Rinnen Internationale Spedition wurde 1943 in Moers gegründet. Heute beschäftigt das Unternehmen rund 750 Mitarbeiter an zwölf Standorten in Deutschland und Europa. 2024 erwirtschaftete Rinnen rund 240 Millionen Euro Umsatz. Die Spedition wickelt europaweit Flüssig- und Gefahrguttransporte ab und setzt dazu 4500 Tankcontainer und 400 Tankauflieger ein. Kunden sind unter anderem BASF, Celanese, Covestro und Evonik.

Die neuen CSRD-Berichtspflichten
Mit der europäischen Nachhaltigkeitsrichtlinie Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) kommen auf Unternehmen neue Pflichten zu. In einem Nachhaltigkeitsbericht müssen sie Rechenschaft über ESG-Kriterien aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance ablegen – alles in allem rund 1200 Datengruppen. Noch ist die EU-Richtlinie nicht in deutsches Recht umgesetzt (Stand der Redaktion: 12. Februar 2025).
Die neue Berichtspflicht gilt ab dem Berichtsjahr 2025 für Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeitenden, 50 Millionen Euro Netto-Umsatzerlös oder einer Bilanzsumme von über 25 Millionen Euro. Sie sind also dazu verpflichtet, ab dem Jahr 2026 einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. Und zwar rückwirkend für das Geschäftsjahr 2025. Außerdem müssen die Unternehmen sich diesen von einem Wirtschaftsprüfer abnehmen lassen.

Shipzero ist über die FMS-Schnittstelle an die Telematik der Rinnen-Fahrzeuge angebunden.“

MARTIN JACOBS,
Leiter Kundenmanagement, Shipzero

Die letzte Etappe im Blick
Was Schulz indes Sorgen macht: „Als berichtserstattendes Unternehmen müssen wir nicht nur die Arbeitsbedingungen unserer eigenen Mitarbeiter dokumentieren, sondern auch die der Beschäftigten in den vor- und nachgelagerten Prozessen.“ Sprich: Beauftrage Rinnen externe Frachtführer, müsse man die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter entsprechend dokumentieren. Bei den eigenen sei das Ganze einfach zu händeln: „Da greifen wir für bestimmte Informationen auf die Personalakte zu, oder wir fragen kurz bei dem Mitarbeiter nach.“

Als Mitglied im Arbeitgeberverband verfüge man ohnehin über alle Tarifverträge. „Bei externen Frachtführern ist das schwieriger“, räumt COO Roth ein. „Wir können nicht steuern, ob ihre Mitarbeiter die Lenk- und Ruhezeiten einhalten. Das liegt in der Verantwortung des Frachtführers selbst.“ Immerhin: Die Daten über die Lenk- und Ruhezeiten werden an Rinnen direkt übermittelt: entweder über die Telematik des Fahrzeugs oder aber mittels App-Anbindung, erklärt er.

Hilfreich bei alledem sei auch, betont Schulz, dass die Spedition viele integrierte Managementsysteme im Unternehmen habe: etwa nach DIN ISO 9001, 50001, 14001 sowie SQAS und GMP+ B4. „Das hilft uns. Aus diesen Managementsystemen können wir jetzt viele Daten ziehen, die für unser CSRD-Reporting wichtig sind.“

Doch bis der Nachhaltigkeitsbericht vorliegt, wird es noch dauern: „Da steckt noch viel Arbeit drin“, sagt Schulz. „Es gilt, die Daten jetzt so strukturiert aufzubereiten, dass sie in einen Report münden.“ Und diesen müsse dann der Wirtschaftsprüfer verifizieren. Alles in allem ist er zuversichtlich: „Wir befinden uns da im Endspurt.“

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